A-cappella-Gesang

Gestern Konzert mit meinen A-cappella-Schwestern. Für zeitgenössische Musik gut besucht, die Leute sitzen eine geschlagene Stunde da, ohne zwischendurch zu klatschen, andächtig, ein einziges Ohr. Der Saal hingegen ein akustisches Problem, das sich durchaus nachteilig auswirkt, gläsern harter Klang, die Stimmen verschmelzen kaum. Die Frauen kämpfen wacker und erobern den Raum – und wohl auch manches Herz…
Wenn man mal von außen „erklären“ wollte, was es bedeutet, komplexe A-cappella-Sätze zu singen, so könnte man ohne Übertreibung sagen: Wir schwimmen im selbsterzeugten Strom der Zeit und gliedern ihn dabei im Sinne exakter mathematischer Proportionen; die Fließgeschwindigkeit dieses Stromes haben wir in jedem Augenblick gemeinsam zu stabilisieren oder gezielt zu verändern. Dazu kommt, daß ja bereits die Einstimmigkeit es unbedingt erfordert, einen quasi geometrisch exakten Bezug aller verwendeten Töne und Zeitwerte herzustellen und in keinem Augenblick zu verlieren (selbst dies ist gar nicht selbstverständlich: einen innerhalb einer Melodie ab und zu wiederkehrenden Ton immer wieder exakt zu treffen). In der Mehrstimmigkeit kommt noch eine weitere Ton-Architektur hinzu, die „Harmonik“, die mit der Melodie-Architektur jeder einzelnen Stimme stets aktuell abgestimmt werden muß.

Paul-Celan-Vertonungen

Nachdem ich in den letzten Jahren einige Gedichte von Paul Celan für Frauenkammerchor a cappella vertont habe, bin ich kürzlich gefragt worden, was dabei mein kompositorischer Ansatz gewesen ist. Meine spontane Antwort: Hören! – Doch was stand und steht für mich im Mittelpunkt des Hörens, worauf kommt es mir an?

Hörende Anwesenheit

Hören bedeutet, sich auf die inneren Bewegungen, auf die feineren, den übrigen Sinnen zunächst verborgenen Äußerungen eines anderen Wesens einzulassen. Ob es sich um Naturlaute, um Musik oder um Sprache handelt: wer hört, macht sich damit zu einer Art Resonanzboden des jeweils klingenden, tönenden, sprechenden Wesens und vermag so mit ihm mitzuschwingen, ja mitzuleben und mitzuatmen.

ICH KANN VIELES ENT-DECKEN

durch aufmerksam beobachtendes Hören, kann musikalische Schätze heben; ich entdecke manchmal nach Jahren in einer längst ausgiebig hörend durchforschten Musik noch Neues, Begeisterndes.